Bergab Laufen
Prater Hauptallee Läufer brauchen darüber nicht nachdenken, wer so wie ich gerne im Wald und in Bergen unterwegs ist, kann mit der richtigen Technik bergab viel gewinnen.
Den ersten Anstoß an meiner Bergab-Technik zu arbeiten, gab mir Christian, ein erfahrener Ultra-Läufer, bei meiner ersten U4-U4 Strecke. Damals war meine Bergabtechnik mit vielen kleinen Schritten, nach hinten gelehnt, eher langsam den Berg runter zu trippeln. War anstrengend, langsam, aber zumindest nicht belastend für meine Knie und Gelenke. Allerdings waren die Tipps von Christian für mich damals nicht wirklich umsetzbar – haben aber begonnen in meinem Kopf zu arbeiten.
Ein halbes Jahr später, im ChiRunning Trainer Kurs in London , war auch das Bergablaufen eines der Themen. Und siehe da – die Techniken dort waren quasi die gleichen wie die vom Christian – nur teilweise anders erklärt.
Das Problem – gerade beim Bergab Laufen – ist, das es nicht reicht zu wissen, WIE es geht – die Information muss auch vom Großhirn hinunter in die Beine und den Körper – was bei mir über ein Jahr gedauert hat und langsam merke ich, das die Technik besser wird.
Wie laufe ich optimal Bergab ?
1. Schritt: Die Ausrichtung
Nicht nur beim Bergablaufen wichtig: Der Körper muss gerade aufgerichtet sein, die Wirbelsäule gestreckt. Knöchel, Hüfte und Schultern sollten in einer Linie sein.
Idealerweise stellst Du dir vor, das Du einen Haken in deinem Hinterkopf – oben, in der gedachten Verlängerung der Wirbelsäule (dort wo bei vielen Männern der Haarwuchs schütter wird ) – befestigt ist und jemand mit einem Seil daran zieht. Mental hilft mir die Vorstellung beim Laufen, weil ich dann das Gefühl habe, dieses Seil hebt mich fast vom Boden ab und macht meine Füße ganz leicht.
2. Schritt: Nach vorne Lehnen
Gilt wieder nicht nur fürs Bergablaufen: Lehne deinen Körper – in schöner gerader Ausrichtung – leicht nach vorne. Bitte nicht in der Hüfte abknicken – Knöchel, Hüfte und Schultern bleiben in einer Linie. Das gedachte Seil am Haken im Hinterkopf zieht Dich damit nicht nur nach oben, sondern auch leicht nach vorne.
Das ist eins der schwersten Dinge beim Bergab-Laufen, weil wir uns automatisch nach hinten lehnen, um zu bremsen. Was bedeutet, das wir unser ganzen Gewicht in den Oberschenkeln und Knie abstützen müssen.
3. Schritt: Füße aktiv nach hinten “schleudern”
Beim Bergab-Laufen konzentriere ich mich sehr darauf, die Füße nach hinten zu bewegen. Wenn meine Ausrichtung stimmt und ich nach vorne gelehnt bin, kommt mein Fuß quasi automatisch unterhalb des Körpers am Mittelfuß auf und wandelt die Aufprall-Energie in eine Bewegung nach hinten um.
Ähnlich wie das Abrollen beim Judo oder anderen asiatischen Kampfsportarten.
4. Schritt: Arme ebenfalls aktiv nach hinten
Arme und Beine sind ein Team – ohne aktive Mitarbeit der Arme müssen die Beine wesentlich mehr arbeiten. Also schwingen auch die Arme sehr aktiv nach hinten. Bitte achtet hier darauf nicht die SCHULTERN zu schwingen, sondern wirklich nur die abgewinkelten Arme.
Soweit die Theorie.
Wenn Du dir jetzt für deine ersten Tests eine nicht zu steile Asphalt-Straße aussuchst, um das umzusetzen (in der Praxis wirds wahrscheinlich eh eher ein viel zu steiler Schotterweg werden) hast du mit ziemlicher Sicherheit das gleiche Problem, mit dem ich fast 6 Monate gekämpft habe: Du wirst schnell. Echt schnell. Viel zu schnell.
Ja, nach dem 3. oder 4. Mal fühlt es sich gut an – Du spürst, das die Belastung auf den Beinen, den Knien, der Hüfte massiv geringer ist, wenn die Füße nach hinten schleudern – aber mein Hirn hat spätestens nach ein paar Schritten regelrecht abgeriegelt, den Körper nach hinten gelehnt und gebremst.
Ausnahme war beim Mozart 100 voriges Jahr, wo ich einige Kilometer mit einer sehr netten (und zugegeben sehr hübschen) Studentin laufen und plaudern durfte und ich ihr – vor einer längeren Asphalt-Downhill Strecke – diese Technik erklärt habe und wir dann gemeinsam 500 Meter richtig schnell bergab gelaufen sind – viel zu schnell für meinen Geschmack. Aber he – soll ich als Mann hier kneifen ?
Danach wußte ich, das die Technik grundsätzlich passt und ich an meinem Geschwindigkeitsgefühl arbeiten muss…
Durch Zufall bin ich dann nach einigen Monaten auf die Lösung dieses Problems gestoßen.
Ein wesentliches Element beim ChiRunning ist die Schrittfrequenz – die sollte zwischen 170 und 180 Schritte pro Minute liegen. Um mir selber dabei zu helfen, diese Schrittfrequenz (meine liegt bei 175 Schritten) einzuhalten, habe ich mir ein Metronom gekauft
Läßt sich gut am Rucksack oder der Hose anklipsen, hat unterschiedlichste Pieptöne (mit Betonung z.b. auf jedem zweiten oder auch jeden Dritten Ton) und eine gute Lautstärkenkontrolle. Unabhängig vom Bergablaufen merke ich, das ich länger und leichter laufe, wenn mich meine 175 Piepser pro Minute beim Laufen begleiten.
Wirklich gestaunt habe ich bei der ersten Downhill-Strecke mit Metronom. Halte ich die Taktfrequenz von 175 Schritten auch bergab ein (was überraschnender Weise gut funktioniert mit dem Metronom) bleibt die Geschwindigkeit in einem vertretbaren Rahmen. Und ich habe erstmalig beim Bergablaufen das Gefühl, sehr energieeffizient und körperschonend und auch kraftschonend – aber trotzdem sehr kontrolliert – bergab zu laufen.
Beim Mozart 100 im heurigen Jahr habe ich deutlich gesehen, was die Technik bringt – im Vergleich zu den Mitläufern, die mit/neben/vor und Hinter mir unterwegs waren, konnte ich bergab locker die Abstände aufbauen, die die mir dann bergauf wieder abgenommen haben. Ohne wirklich das Gefühl zu haben, mich bergab wirklich anstrengen zu müssen.
In der Garmin Connect Auswertung sieht man das Tempo bergab sehr schön:
Interessant ist, das die Herzfrequenz bergab ebenfalls ansteigt – das subjektive Gefühl der Anstrengung ist jedoch sehr gering und auch am Atem merke ich keine echte Anstrengung. Mental ist es jedoch immer noch heftig und erfordert sehr hohe Konzentration – nicht unbedingt immer wegen der Strecke, sondern um die gerade Ausrichtung beizubehalten, die Füße wirklich bewußt nach hinten zu bringen, die Arme nicht zu vergessen, in der Hüfte locker zu bleiben, im Takt zu bleiben und auch die Beine locker zu lassen.
Aber jeder Berg bringt mich etwas weiter…..
Und auch hier zeigt sich, das für mich jeder einzelne Lauf ein Übungslauf für meine Lauftechnik ist – jeder Lauf bietet mir die Gelegenheit, diese Technik bewußt zu verbessern und daran zu arbeiten.
Noch ein paar kleine Tipps:
- Fang am Anfang mit sanften Hügeln an – stell Dich oben hin, kontrolliere deine Ausrichtung, lehne Dich leicht nach vorne (Achtung, nicht in der Hüfte abknicken) und lass Dich den Berg hinunter laufen
- Sobald Du spürst, das Du dich zurück lehnst, bleib stehen, richte Dich neu aus, lehne Dich nach vorne und laufe weiter
- Beim Laufen konzentriere Dich zuerst nur darauf, die Füße nach hinten zu bringen – stell Dir bei jedem Schritt eine Judorolle vor, die die Belastung elegant nach hinten abrollt
- Wenn Du zu schnell wirst, laufe mit Metronom – geht auch am Handy mit einer Gratis-App oder mit guten Laufuhren
- Erst wenn das halbwegs “läuft”, kontrolliere deine Arme, schau, das die Schultern gerade bleiben und deine Neigung
- Und wie bei jeder Technik nutze jeden Hügel, um besser zu werden
Ich hoffe, ein paar Dinge können Dir helfen – mir haben sie geholfen
(Und noch eine kleine Werbung in eigener Sache – ganz klein zum Schluss: Wenn Dich die Lauftechnik interessiert, wenn das für Dich irgendwie gut klingt – unter www.laufleicht.at findest Du infos zu den ChiRunning Kursen, die ich abhalte)
Moin Christian,
Ich lese sehr gerne hier in deinem Blog, aber ich Frage mich des öfteren, ob es noch Spaß macht zu laufen, wenn man so viel an Lauftechnik usw denken muss? So ein Metronom würde für mich in 100 Jahren nicht in Frage kommen. Beim Laufen möchte ich entspannen und nicht so ein gepiepe hören? Das nächste ist, kann man überhaupt sagen, wie viele Schritte man machen sollte? Ich glaube Menschen sind sehr verschiedenen und keiner sollte zu stark in seinem von der Natur mitgegeben Laufstil rumpfuschen. Aber trotzdem vielen Dank für deine Artikel. Sehr spannend zu lesen.
Mit freundlichen Grüßen
Dennis