Wings for Life – gemischte Gefühle
Gleich vorweg: Die Idee, einen Lauf, weltweit zur gleichen Zeit zu organisieren, sodass über 100.000 Läufer gleichzeitig starten und die Idee, keine Ziellinie, sondern einen CatcherCar zu verwenden, der die Läufer einholt – und das ganze noch für einen guten Zweck, nämlich der Rückenmarksforschung zu 100 % zukommen zu lassen, ist einfach nur genial.
Aber schön der Reihe nach:
Vor dem Lauf
Nachdem ich gestern keine Zeit zur Startnummernabholung hatte und heute so ein schöner Tag war, war ich bereits kurz vor 10:00 Uhr am Karlsplatz, um die Startnummer und das Goodie Bag zu holen.
Und hatte meine erste Überraschung: Obwohl nicht wenig Menschen das gleiche zur selben Zeit wollten, habe ich schon lange nicht mehr eine so schnelle und unkomplizierte Abholung erlebt. Quasi keine Wartezeit, die einzige Schlange auf der Stiege zu den Goodie-Bags und dort hat sich dann herausgestellt, das das Problem eher das Klo auf dieser Stiege war als die Bag-Ausgabe.
Im Sack selber neben (überraschend wenig) Werbung 2 Getränke und – wie praktisch: Ein Regenponcho und eine Rettungsdecke (habe ich immer bei mir im Rucksack mit)
Der Karlsplatz hat sich minütlich gefüllt – trotzdem war es sehr gemütlich – viel Essen (wobei: Wer stopft kurz vor dem Lauf noch eine große Portion Nudeln in sich rein ?)
Der Start
Die Startblöcke haben sich rasch gefüllt, zwischen Foto 1 und Foto 2 sind 15 Minuten vergangen
Besonders interessant für mich war, das der Wings for Life Run wahrscheinlich der einzige Lauf ist, bei dem man durch “vorschummeln” im falschen Startblock echte Vorteile erlangt – der Catcher Car fährt exakt 30 Minuten nach dem Startschuß weg – die hinteren Starter kommen aber sicher erst 5 – 10 Minuten später (und werden damit 5-10 Minuten “vor” den ersten überholt) Trotzdem hatte ich – im Gegensatz zu anderen Läufen – hier nie das Gefühl, das viele sich falsch eingereiht haben.
Super Stimmungsmache im Startbereich – von riesen Bällen über eine Fahne, die über den Startblock gezogen wird bis hin zu Wellen im Walzertakt.
Im Bild auch einer der Pacemaker zu sehen: Zieldistanz 20 km
Nach dem Start am Karlsplatz ging es Richtung Naschmarkt – natürlich war es ein wenig eng, aber gefühlt massiv weniger Drängerei als beim VCM.
Die Strecke ging weiter bis zum Gürtel, dort bergauf (was vor allem die mitfahrenden Rollstuhlfahrer gemerkt haben) zur Mariahilferstrasse, dann den Ring entlang bis zur Stadionbrücke und dort in den Prater…
Ab dem Naschmarkt war ein normales Laufen möglich, ohne massiv Drängeln zu müssen oder Drängler erleben zu müssen.
Ein paar Läufer waren von meinem Metronom ein wenig irritiert – ich möchte mich ausdrücklich entschuldigen
Aber das Metronom hilft mir, nicht über meine Schrittfrequenz von 175 Schritte pro Minute nachdenken zu müssen, das (eh leise) Pipsen geht irgendwie ohne Umwege in die Beine..
Das es wirklich hilft, zeigt die Auswertung meiner Fenix 3 über die Laufeffizienz:
- Wien Energie HM (mit Metronom): durchschn. Schrittfrequenz:172
- VCM (ohne Metronom): durchschn. Schrittfrequenz: 165
- Wings for Life Run: durchschn. Schrittfrequenz: 172
D.h. auch in Zukunft wird es 1-2 Meter rund um mich leicht piepsen – Du bist aber herzlich eingeladen, deine Schrittfrequenz auf das Piepsen einzustellen…
Beim Laufen über die Mariahilferstraße möchte ich mich – wie schon beim VCM – ganz herzlich bei allen Wienerinnen und Wiener bedanken, die FÜR die Fußgängerzone gestimmt haben – es macht einfach Spaß, dort zu laufen
Interessant war bei diesem Lauf die Dichte der FiveFinger-Läufer:
Das Ende
Mein Plan war, 15 km zu Laufen – also ca. bis zum Lusthaus, weil ich von dort 2 km bis nach Hause habe. Kurz vor der Stadionbrücke habe ich aber spannenderweise eine Blase am rechten Fußballen gespürt und das Tempo rausgenommen. Bei der Labestation im Prater habe ich dann einen alten Freund getroffen und mit ihm etwas geplaudert und auf den Catcher Car gewartet.
Und obwohl es beim Start durchgesagt wurde, das der Car dich schon ca. 5 Meter VOR dem Auto erfasst und dein Rennen damit beendet, gab es einige massive “Zielsprints” inkl. Stolpern und Speibn danach…
Die “Ziellinie”
Und damit kommen wir schon zum ersten Grund, warum das sicher mein letzter Wings for Life Run war:
Das fehlende Gefühl, über eine Ziellinie zu laufen… Irgendwie war die große Ratlosigkeit und Ziellosigkeit zu spüren, nachdem der Wagen vorbei war
Jetzt steh ich da mitten im Prater – wos moch i jetzt ?
Mein Fazit
Grundsätzlich ein großartiger Lauf.
Eine extrem gute Idee, eine extrem gute Umsetzung, eine der best-organisierten Läufe seit langem.
Sehr interessant auch für Hobby- und “Nicht Regelmäßig”-Läufer, weil du genau so weit läufst, wie du kannst, weil es eben KEINE vorgegebene Distanz gibt.
Trotzdem werde ich nicht mehr teilnehmen.
Mir persönlich fehlt das Ziel, die Distanz, die ich zu überwinden habe, die Einteilung während des Laufens, das Gefühl “4 km noch” und vor allem das Hochgefühl, wenn ich über die Ziellinie laufe, weiß, das ich es geschafft habe, mein Ziel erreicht habe. Und danach das Ausgehen, das Getränke nehmen, das langsam wieder ankommen.
Außerdem habe ich beschlossen, das das mein letzter Straßenlauf war – es macht mir einfach keinen Spaß mehr, in Städten auf Asphalt zu laufen. Ein Lauf im Wald, in der Natur, auf Single Trails gibt mir einfach so viel mehr Energie, macht mir so viel mehr Spaß.
Aber trotzdem sollte jeder Mal den Wings for Life gelaufen sein….
P.S.:
Schaue mir grade den Live-Stream auf http://live.wingsforlifeworldrun.com/de an: (16:21)
95908 Läufer haben das Rennen bereits beendet, 488 sind noch im Rennen – der führende Mann in Chile hat bereits 54,5 km hinter sich, die führende Frau in Japan 51,76
Der Läufer in Dubai läuft auf einer Asphaltstrasse schnurgerade in die Wüste
Sehr cool der Livestream, derzeit werden in vielen Ländern die führenden Damen “gefangen” – von Japan über Frankreich und Peru….
Auch für die führende türkische Dame ist das Rennen vorbei – dort dürfte es auch ziemlich warm sein…
16:29 379 noch im Rennen, Führung ist bei 56,65 km
16:33 259 noch im Rennen, der Führende ist bei 57,76, das Auto fährt jetzt bereit mit 20km…
17:00 94 im Rennen, der Führende ist bei 63,89 (in Kanada)
„Jetzt steh ich da mitten im Prater – wos moch i jetzt ?“
Ich stelle mir vor, dass das Problem noch viel größer wird, wenn man irgendwo auf der Strecke zwischen Strebersdorf – Greifenstein – Klosterneuburg – Nussdorf vom CatcherCar eingeholt wird oder einfach nicht mehr weiter laufen kann. Dort gibt es keine U-Bahn oder Straßenbahn in der Nähe und die nächste Bahn- oder (auch am Wochenende bediente!) Busstation muss man erst einmal finden.
Meines Wissens gibt es dann Busse, die dich einsammeln…