Minimalschuhe und Barfußschuhe

Minimalschuhe und Barfußschuhe

Eine an sich simple Sache, die doch eigentlich völlig klar sein sollte. Trotzdem stelle ich in Diskussionen immer wieder fest, das das Verständnis von Barfußschuhen und Minimalschuhen sehr variieren kann.

Fangen wir mit dem Barfußschuh an, das ist einfach:

Es gibt keinen Barfuß-Schuh. Entweder ich bin Barfuß oder ich habe einen Schuh. Ich weiß, das auf meiner Webseite dieser Ausdruck oft vorkommt, ich versuche ihn schon länger zu vermeiden. Und der Umstand, das in Geschäften, in der Presse und im Web immer wieder von Barfußschuhen gesprochen wird, macht die Sache deswegen nicht richtiger.

Aber was ist jetzt ein Minimalschuh ?

Hier gibt es von Katy Bowman, eine internationale „Barfuß-Expertin“, in ihrem (lesenswerten) Buch „Whole Body Barefoot“ eine sehr schöne Definiton:

Ein Minimalschuh muss folgende Eigenschaften aufweisen:

  • Eine dünne, flexible Sohle
    die so dünn ist, das sie dem ganzen Fuß (also auch der Sohle) ein gutes, direktes Bodenfeedback gibt
    Mein Test dazu ist simpel: Kannst Du mit der Sohlenspitze die Sohlenferse berühren
  • keine Sprengung
    d.h. die Sohle muss hinten genauso hoch sein wie vorne um dem Fuß eine neutrale Position zu ermöglichen
  • Eine „Oberkonstruktion“ die den Schuh fest am Fuß hält
    damit keine Notwendigkeit besteht, den Schuh beim Gehen oder Laufen mit den Zehen festzuhalten
  • eine große Zehenbox
    die den Zehen genug Platz läßt, sich zu spreizen und auszudehnen

Damit ist für mich eigentlich alles klar.

Ein paar Beispiele zur Illustration:

FlipFlops

sind zwar meistens sehr dünne Sohlen, geben dem Fuß auch viel Platz, sind aber trotzdem ganz schlecht für die Füße.

Wenn Du deinen Fuß beim Barfußgehen beobachtest, erkennst Du, das Du automatisch in der Vorwärtsbewegung des Fußes die Zehen nach oben streckst.

Das machst Du nicht, damit Du dich nicht wo anhaust, sondern damit spannst Du dein Fußgewölbe, damit es beim Auftreten die Energie speichern kann und dann wieder abgeben kann.

Im FlipFlop drücken in der Vorwärtsbewegung die Zehen automatisch nach UNTEN, damit der Schuh nicht vom Fuß fliegt – ergo keine Spannung im Fuß und keine Speicherung.

Nike Free Run

Im Wikipedia Artikel zum Thema „Barfußschuh“ steht der Nike Free Run als Beispiel für den ersten Barfußschuh (also Minimalschuh)

Ich habe den Free Run 3 ja selber getestet im Jahr 2012

Leider trage ich ihn schon so lange nicht mehr, das ich keine Ahnung habe, wo er ist – aber lt. Beschreibung von Nike hat zumindest das derzeit aktuelle Modell Free RN CMTR eine Sprengung von 8 mm und die Sohle ist alles andere als dünn…. (Zumindest wird er auf der Webpage von Nike nicht mehr als Minimalschuh angepriesen)

Die Schuhe von FiveFingers, VivoBarefoot, Merell, Luna, Leguano, Senmotic (und die, die ich jetzt vergessen habe) sind fast ausschließlich Minimalschuhe.

Von FiveFingers hatte ich mal ein Paar, die eine extrem harte Sohle hatten, bei den Lunas sind die dickeren Sohlen natürlich nicht mehr ganz so in der Lage, Bodenfeedback zu geben (sind aber trotzdem überraschend biegsam)

Und kürzlich habe ich den Winterstiefel von VivoBarefoot probiert (nur kurz im Geschäft), auch der hat eher eine festere Sohle.

Schuh, FiveFinger oder Sandale

Wenn wir uns hier mal auf das Laufen beschränken und die Optik außer Acht lassen, ist für mich die Reihenfolge klar:

Dem Barfußlaufen am nächsten kommen die Sandalen. Die Geniale Sandale am weitesten, aber auch die Lunas. Es macht einfach einen Unterschied, ob der Fuß komplett frei ist oder in einem Schuh.

Danach kommen die FiveFinger. Hier ist die Beweglichkeit der Zehen, aber auch die gesamte Bewegung des Fußes wesentlich größer als in z.b. VivoBareFoot.

Schuhe haben halt den Vorteil, das sie den Fuß fest umschliessen und damit eine unsaubere Lauftechnik wesentlich besser kaschieren. In Sandalen spürst Du gnadenlos jeden Druck, den der Fuß am Boden vertikal ausübt. Besonders beim Bergablaufen geht dieser Druck genau auf das dünne Band zwischen den Zehen. Dieser Druck geht beim Schuh halt direkt ins Bein, in die Gelenke, auf die Sehnen und Muskeln. Ist nicht so schmerzhaft wie zwischen den Zehen, richtet langfristig aber wesentlich mehr Schaden an.

Deswegen ist auch die Frage an mich, welchen Schuh Du denn kaufen sollst, eine schwierige.

Die Sandalen (egal ob Lunas oder die Geniale Sandale) kann ich (zum Laufen) nur empfehlen, wenn Du dich schon länger mit Minimalschuhen und Lauftechnik auseinander setzt.

Wenn Du beginnen möchtest und schüchtern bist, nimm VivoBarefoot, ansonsten FiveFinger

Je mehr Gelände, umso dickere Sohle, je mehr Asphalt, umso dünnere Sohle.

Und BITTE BITTE: Langsam beginnen !

Trag die Minimalschuhe zuerst beim Gehen, nimm sie dann mit zum Laufen und ziehe sie 1 km vor dem Ende deines Laufes an. Beim nächsten Mal 2 km vor dem Ende. Das steigerst Du so lange um jeweils 1 km, bis du beim Laufen oder danach ungewohnte Schmerzen (Muskelkater, usw.) spürst. Dann läufst Du ca. 1 Woche (oder 3 Mal) mit der KM-Zahl, wo du keine Probleme hattest, bevor du wieder steigerst.

Ja, ich weiß: Du bist ein Schlauer, Du bist gleich – eh langsam – deine gewohnte 10 km Runde damit gelaufen und hattest keine Probleme. Schön. Ich verspreche Dir, das Du spätestens in 2-3 Wochen wieder auf deine gepolsterten Schuhe umsteigst und die Minimalschuhe irgendwo im Keller versteckst…

Ich wünsch Euch viel Spaß mit der Schuhauswahl !

14 Kommentare zu „Minimalschuhe und Barfußschuhe

  1. Hallo Christian, Danke für die gute Idee zum Eingewöhnen! Das klingt gut umsetzbar und viel hilfreicher als das bisher gehörte 😉
    Wird nach dem nächsten Wettlauf sofort umgesetzt.

  2. Ich bin ratlos was die richtigen Laufschuhe für mich angeht. Am besten ist es barfuss, aber das ist auf steinigen Wegen, in der Dunkelheit und bei Kälte problematisch.
    Minimalschuhe habe ich fast alles durch:

    – Vivobarefoot Stealth: trotz dünner Sohle schlechtes Bodengefühl beim Laufen und dadurch stärkere Stöße. Plastiksohle laut beim Auftritt.

    – Fivefingers KSO: sehr nah dran am Barfussgefühl. Die leichte Elastizität der dünnen Gummisohle gibt ein sehr angenehmes Gefühl. Leider bekomme ich nach ca. 1/2 Stunde Schmerzen im mittleren Zeh vom linken Fuß. Auch der Wechsel auf einen V-Run in einer Nr. Größer (die eindeutig zu groß sind) brachte keine Besserung.

    – Xero Shoes Sandalen: trotz diverser Schnürmethoden bekomme ich starke Schmerzen zwischen den Zehen von der Schürkordel. Sehr lautes und nerviges Auftrittgeräusch.

    Ich habe noch 2 Paar Altra Laufschuhe mit flacher dünner Sohle die ich aber nicht als Minimalschuhe bezeichnen würde. Interessant ist, dass der Aufprallstoß auf Asphalt gefühlt höher ist als komplett barfuss.

    Ich weiß nicht was ich noch probieren soll.

  3. Hallo Christian

    Ich laufe seit Juni 2016 nur noch in vivobarefoots… sei es beim laufen bei der Arbeit und in der Freizeit. Im Sommer gerne auch die chala sandals.
    Ich muss sagen ich fühle mich absolut wohl damit und meinem Füßen geht es prächtig. Nun soll es im April der erste Marathon sein. Auch noch in wien.

    Ich höre von allem meinen Freunden, ich kann doch kein Marathon in barfuß Schuhen laufen!
    So deswegen laufe ich manchmal lange strecken in „normalen“ adidas Schuhen. (Auch schon niedrige Sprengung) ich muss aber echt sagen gerade letztes Wochenende 28km in adidas und meine Beine schmerzen, bzw. ich fühle sie saugen mir Energie. Einen halben Marathon habe ich in meinen Primus road, durch und mir schmerzen zwar danach auch die Füße aber ich fühle mich danach viel zufriedener…

    Ich bin mittlerweile voll verwirrt.
    Meine Strategie für den VCM die erste Hälfte meine vivobarefoot / 2 Hälfte die adidas (aus dem Rucksack) hab natürlich keine Zielzeit. Soll mein erster werden.

    Was hältst du davon?

    Liebe grüße
    Alex

    • Hi, zu aller erst: Lass dich nicht von deinen Freunden verunsichern. Für Läufer in herkömmlichen, gedämpften Schuhen ist es undenkbar, einen Marathon in Minimalschuhen zu laufen. Lass sie reden… Ich bin schon 55km in Fivefingers gelaufen und lebe noch. Lass die Adidas zu Hause. Ganz einfach.

    • ich bin letztes Jahr in der Marathonvorbereitung ebenfalls mit Adidas, Brooks und Nike free gelaufen, zuzuglich zu den VFF. Den Marathon bin ich mit Adidas Boost 2 gelaufen. Verletzungsfrei und ohne Blasen o.Ä. Dieses Jahr, nach fast einem Jahr VFF und Luna Training, laufe ich den Marathon mit den Lunas. bis jetzt liegt die längste Entfernung mit der Sandale bei 26km, problemlos. Mit den VFF 36km, problemlos. Wie der Christian schon sagt, lass die Adidas weg. Ich kann mich in keine Laufschuhe mehr zwingen. Selbst Newton Distance Elite war mir zu eng und zu hoch.

  4. Die wirklich minimalsten Minimalschuhe sind die von Solerunners. Trage alle veganen Modelle seit drei Jahren. Leider haben sie den Schnitt hier und da verändert, merkte ich, als ich jetzt ein Paar nachkaufen wollte. Aber im Vergleich zu vivobarefoot sind das Welten. Ich kann nicht nachvollziehen, was die Leute an denen so toll finden. Ich habe mir bestimmt 5 Modelle bestellt. Alle gingen zurück. Zwei weitere Modelle habe ich später sogar gekauft, aber später nicht mehr getragen, jetzt sogar weggeben. Furchtbar! Harte Sohle, hartes Plastik um Fuß, zu geringe Höhe für die Zehen, unflexibel im Vergleich zu den Solerunners. Wenn jemand bequeme sucht… Ich kann sie wirklich empfehlen, außer die hohen, weil hier der Schnitt verändert wurde, leider 😢

    • Hallo Claudia,
      sehr interessante Erfahrungen mit Vivobarefoot, die du da schilderst. Weißt du noch, welche Modelle das waren ? Ich habe 3-4 unterschiedliche Paare und bis auf den Trailschuh haben alle eine sehr weiche Sohle.
      Den Solerunner muss ich mal bei Gelegenheit probieren…
      Danke
      Christian

  5. Hallo Christian,
    oh!!! Danke für die Klarstellung was barfuß bedeutet, Du machst mich glücklich.
    Was verstehst Du unter Lainzer-Tiergarten-Runde? Mein „Rekord“ war Haus-Lainzertor-Hirschgstemm-Lainzertor-Haus insgesamt 14km, rauf über die Schotter-/Waldstraße vorbei an der Abzweigung zur Hubertuswarte und zurück über die Asphaltstraße (mit Streusplit vom Winter), teilweise – auch den Höhenmetern geschuldet – im Marschtempo, aber durchgehend barfuß (= keine Schuhe, keine Socken – eh klar). Es war der 5. März, beim Zurücklaufen strömender Regen und ca. +7°C … geschwitzt hatte ich nicht.
    Liebe Grüße – Wolfgang

  6. Gilt das auch beim Umstieg von barfuß auf Sandalen? Wollte mir für längere Läufe und diese Untergründe dann doch mal Lukas oder so zulegen…

    • Beim Umstieg von Barfuß auf Sandale muss sich dein Fuß nur noch an die Schnürung und Bänder gewöhnen – d.h. das geht schneller. Du wirst bei den Lunas merken, das das band zwischen den Zehen die erste Zeit (ca. 1 Tag, je nachdem wie lange du die Sandale trägst) etwas schmerzt, dann spürst Du es aber nicht mehr

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