Mit Sandalen am Berg
Ein Thema, das immer wieder zu teils heftigen Reaktionen führt, sind meine Sandalen in den Bergen
Von ehrlichen “Respekt” bis hin zu “hast Du eine Wette verloren” bis zum freundlichen “oh, the FlipFlop Man”
Oder der Kommentar des Ziel-Moderators beim Großglockner Berglauf, der mich mit den Worten “Oh, der hat Sandalen an. Kann man machen, muß man aber nicht” begrüßte.
Interessenshalber habe ich in eine Facebook-Gruppe (Schneeberg,mein Traumberg,die Gruppe) die Frage gepostet, was denn nun wirklich gegen Sandalen am Berg spricht.
Viele Kommentare waren deutlich, aber nicht wirklich hilfreich:
“Du gehörst vom Berg verbannt, das is mehr als grob fahrlässig”
“Du Kasperl mit die Schuhe kannst einkaufen gehen aber nicht hochalpin wünsche dir nix schlechtes aber wenn dir was passiert dann sollst du ne saftige Rechnung für Bergungen zum zahlen kriegen.”
“Eine Frechheit so etwas zu verbreiten……Haube u Jacke bleibt vermutlich auch daheim…….und wenn du unerwartet oben übernachten musst? Was sagst du denn dann? Wird es ein wenig kalt auf den Füssen oder?”
Spannenderweise hat sich dann doch eine konstruktive Diskussion gebildet. Die Argumente dort und meine Erfahrungen möchte ich hier jetzt darstellen:
“Das Schuhwerk sagt nichts über das Können des Trägers aus”
Für viele kommt die spontane Ablehnung der Sandalen von den berühmten “Halbschuhtouristen” Also Urlauber, die völlig unvorbereitet, ohne passende Ausrüstung am Berg gehen. Interessanterweise gibt es die kaum noch. Das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) hat 700 Wanderer und Bergsteiger auf die Füße geschaut: 70 % trugen Bergschuhe, 20 % gute Turnschuhe. Das Problem ist, das 70 % der befragten Wanderer ausgesagt haben, sich vor der Tour nicht oder kaum vorbereitet zu haben.
Das entspricht auch meinen Wahrnehmungen beim Wandern. Viel sind top-ausgerüstet. Super Schuhe, gute Funktionskleidung, gute Rucksäcke, oft auch mit Stöcken.
Bei doch vielen, die vor mir den Berg – auf technisch schwierigeren Wegen – runter gehen, merkt man aber deutlich, das hier die Übung, sich in solchen Gelände zu bewegen, völlig fehlt. Das es an Gleichgewichtssinn fehlt, die Leute immer wieder ausrutschen, sich festhalten müssen, extrem unsicher von einem Stein zum anderen steigen und oft auch die Kondition fehlt.
Ich bin mehr als regelmäßig in den Bergen unterwegs, gehe und laufe am liebsten auf schwierigen Untergrund und bin schon alleine deswegen definitiv sicherer unterwegs als diese ungeübten Menschen.
“Du hast in den Sandalen keinen Halt und kannst leicht umknicken”
Ein oft gebrachtes Argument. Das aus meiner tiefen Erfahrung nicht stimmt. Der Vorteil der dünnen, flexiblen Sohle ist, das meine Auflagefläche wesentlich höher ist, weil sich der Fuß “um” die Bodenerhebungen “schmiegen” kann. Dort, wo die feste Sohle nur wenig Auflagefläche hat, setzt mein Fuß vor und hinter der Erhebung auch noch auf und ich kann mit meinen Zehen fast so greifen wie mit den Händen (Betonung liegt auf fast!)
Es ist auch extrem schön zu beobachten, wie extrem beweglich ein Fuß ist, wenn man ihn läßt. Ein Umknicken ist fast nicht möglich, da der Fuß am Knöchel seitlich weit runter geht. Durch die dünne Sohle reagiert der Fuß auch ganz anders als in festen Schuhen. Ich hatte noch nie auch nur in Ansätzen das Gefühl, umzuknicken – auch weil die Erhebung der Sohle fehlt, über die der Fuß knicken könnte.
Hoch interessant finde ich auch die instinktive Reaktion des Körpers, wenn ich beim Laufen auf einen kleineren, zB walnußgroßen Stein quasi mit voller Wucht trete. Hier gibt sofort die Spannung im Bein nach, der Körper “kippt” in den Fuß anstatt sich abzufangen und nimmt den Druck vom Fuß, um mit dem nächsten Schritt wieder ausbalanciert zu sein.
Dh ich habe in den dünnen Sandalen massiv mehr Gefühl und Sicherheit als in dicken Sohlen.
“Du hast keinen Schutz (vor Steinen, vor der Witterung”“) in den Sandalen”
Hier gebe ich den Kritikern völlig recht. Gegen herabrollende Steine, Äste, die ich nicht sehe und Ähnlichem ist der Fuß völlig ungeschützt, weil nackt.
Nach Trailruns durch den Wald habe ich auch immer wieder kleine Abschürfungen am Fuß. Interessanterweise hatte ich erst einmal eine kleine blutende Wunde (durch einen Ast, den ich nicht gesehen habe).
Aber natürlich ist das ein Thema. Für mich gibt es hier 2 Gegenmaßnahmen: a) habe ich immer ein Erste Hilfe Paket dabei, um bei Verletzungen Blutungen zu stoppen und b) habe ich immer Ersatzschuhe (meine FiveFinger inkl. Socken mit)
Die auch schon notwendig waren 2 Mal. Einmal wegen der beschrieben Wunde (die ich verarztet habe und dann in Socken und FiveFinger weitergelaufen bin), ein anderes Mal habe ich mitten am Berg beim Wandern auf einer technisch schwierigen Passage (steile Felsen) gemerkt, das nach einem 3 stündigen Aufstieg in diesem Gelände meine Konzentration einfach nicht mehr gut genug für die Sandalen ist. Diese Schuhe erfordern natürlich ein sehr bewußtes Steigen (was natürlich die Sicherheit erhöht) An diesem Tag war ich dazu aber einfach zu müde und habe nach 2-3 Fehltritten gemerkt, das es richtig gefährlich werden kann mit Sandalen, wenn ich nicht konzentriert bin. Und hier war ich froh, die FiveFinger im Rucksack mitgehabt zu haben.
“Klettern geht aber nicht”
Ja, völlig richtig. Ich rede vom Trailrunning und vom Wandern. Und von Wegen, die keine Seilsicherung benötigen. Die Völlerin an der Hohen Wand zb. ist noch gut machbar, auch der Weg von Heiligenblut zur Franz Josef Höhe geht noch sehr gut. In dem Moment, wo die Wand eher senkrecht wird und der Fuß nicht mehr ganz, sondern nur mit der Fußspitze aufgesetzt werden kann, sind die Sandalen unbrauchbar.
Und ins Hochalpine Gelände (also > 2.000 Meter) gehe ich in der Regel nicht…
“Das ist aber nichts für Ungeübte”
Eines der wichtigsten Argumente. Ich trage mittlerweile seit über 6 Jahren Minimalschuhe, meine Füße sind sowohl die dünnen Sohlen gewohnt, als auch die “Freiheit” in Schuhen, die natürlich viel mehr Arbeit für die Fußgelenke, Sehnen und Muskeln bedeutet. Ich kann keinem “Anfänger” empfehlen, mit Sandalen auf den Berg zu gehen.
“Und bei Nässe ?”
Nässe alleine macht den Sandalen nichts aus. Egal, ob ich durch Bäche und Flüsse wate oder es regnet – der Halt in den Sandalen (und zwar in allen, die ich bis jetzt gelaufen bin) ist perfekt.
ABER
Sobald die Sandalen gatschig werden (kennt man das Wort in Deutschland auch ? Gatschig = schlammig), wird es gefährlich.
Besonders habe ich das letztes Jahr gemerkt, wie wir den South West Coast Path (sehr empfehlenswert) gewandert sind und tlw solche Verhältnisse hatten:
Das war nicht lustig, sondern richtig gefährlich. Hier ist jeder Halt in der Sandale schlagartig vorbei, der Fuß rutscht fast unkontrollierbar bei jedem Schritt auf der Sandale herum.
Zum Glück sind immer wieder kleine Bäche über den Weg geflossen, mit denen es leicht war, die Füße zu reinigen
“Dicke Sohle vs. dünne Sohle”
Hier ist die Antwort für mich einfach und klar: Beim Wandern definitiv eine dünne Sohle. Hier sind die Challas von Voycontigo oder die Sandale von Shamma beide wirklich genial:
Beim Trailrun hat sich jedoch mit der Zeit gezeigt, das diese Sohlen bergab (für mich) doch massive Nachteile haben, da ich mit diesen Sohlen bergab wesentlich verhaltener laufen muss, was Zeit kostet und vor allem Kraft kostet.
Deswegen bin ich fürs Laufen auf die Bedrock Sandalen umgestiegen
Die Sohle hat 14 mm und ein grobes Profil und schützt die Fußsohle nun besser gegen Steine beim Bergablaufen. Trotzdem würde ich am liebsten bei Bergaufstrecken und ebenen Strecken meine dünnen Sandalen anziehen, weil diese dort wesentlich mehr Bodengefühl und Sicherheit geben. Ich merke, das der Fuß bei weitem nicht so flexibel in 14 mm Sohlen arbeiten kann als in den dünnen Sohlen. Und ich daher unsicherer unterwegs bin.
Allerdings brauchen wir bergab nicht diskutieren. Hier kann ich mich nun im Volldampf die Trails runterlassen und spüre deutlich, wie viel leichter das ist. So gibt es halt keinen Vorteil ohne Nachteil.
Fazit
Nicht jeder in Sandalen ist eine Gefahr am Berg. Bevor du urteilst, beobachte ein wenig, wie sich die Person bewegt, dann siehst du eh schnell, wie erfahren die Person ist.
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